29.06.2023
v.l.n.r.: Frau Marianne; Moriz Piffl-Percevic, Mitgründer und Ideengeber der Vollpension; Nipun Metha , Ideengeber des Gifting Forward Modells und Gründer des Inkubators ServiceSpace; Frau Doris; Julia Krenmayr, Geschäftsführerin der Vollpension Generationencafés
Perpetuum mobile des Guten: Nach dem Prinzip 'Du wurdest eingeladen, jetzt kannst du die Nächsten einladen' tritt die Vollpension am Standort im 1. Bezirk den Beweis an, dass Wien nicht nur die lebenswerteste, sondern auch die liebenswerteste Stadt der Welt sein kann.
Wien, am 29.6.2023 - Stellen Sie sich vor, Sie gehen in ein Kaffeehaus, in dem die Speisekarte keine Preise enthält, Sie werden bekocht und herzlich umsorgt. Anschließend erhalten Sie die Rechnung und der Betrag ist Null. Eine Fußnote weist Sie darauf hin, dass Ihre Rechnung von einem Menschen bezahlt wurde, der vor Ihnen hier war und fordert Sie auf, diesen Kreislauf fortzuführen. Das ist das Gifting Forward Modell, das seit Samstag in der Vollpension in der Johannesgasse im 1. Bezirk getestet wird. Ideengeber, des auf dem Prinzip der 'Gift Economy' basierenden Gastronomiemodells, ist Nipun Mehta, ein indisch-amerikanischen Unternehmer, der gemeinsam mit den Gründer:innen der Vollpension vergangenen Samstag den Startschuss für das Experiment gegeben hat.
„Bei Gifting Forward geht es darum, Großzügigkeit zu üben und damit tiefgehende Beziehungen zu anderen Menschen und sich selbst herzustellen“, erklärt Nipun Mehta. „Ein Besuch in der Vollpension mit diesem Modell ist kein herkömmlicher Kaffeehausbesuch, das hat eine ganz andere Energie. Es findet eine Transformation von einem Ich-Fokus zu einer Wir-Gesellschaft statt.” Die Vollpension als Generationencafé steht für viel mehr als nur guten Kuchen und gemütliche Kaffeehausatmosphäre, erklärt Moriz Piffl-Percevic, Mitgründer und Ideengeber der Vollpension: „Dialoge zwischen Generationen zu schaffen, dabei über den Tellerrand hinauszublicken und einen positiven Impact in der Gesellschaft zu leisten, machen uns zu einem innovativen Vorreiter in der österreichischen Gastronomie.”
Omas als Sinnbild für Großzügigkeit
„Ich habe mich während einer Indienreise sehr viel mit dem Thema Großzügigkeit beschäftigt und habe viele Parallelen zu einem typischen Besuch bei der eigenen Familie erkannt“, so Piffl-Percevic. „Für mich sind Omas ein Sinnbild für Großzügigkeit, sowohl auf emotionaler als auch physischer Ebene. Ich wurde von meiner Oma immer mit viel Liebe und Herzlichkeit empfangen, bekam ein besonders großes Stück Kuchen und ich ging nie hungrig nach Hause. Und das, ohne dass meine Oma eine Gegenleistung dafür erwartet hat.“ Frau Marianne, die seit mehr als sieben Jahren als Oma vom Dienst in der Vollpension arbeitet, bringt die Vision des Experiments auf den Punkt: "Wien ist gerade wieder erst als lebenswerteste Stadt der Welt ausgezeichnet worden, da spielen Themen wie eine gute Infrastruktur und Sicherheit hinein. Aber wir sind auch die Stadt, wo die Grantler:innen zu Hause sind. Ziel unseres Experiments ist es, einen Impuls zu setzen, aus Wien nicht nur die lebenswerteste, sondern auch die liebenswerteste Stadt der Welt zu machen.“
Auf der Suche nach dem richtigen Pricing-Modell
„Die Frage nach dem stimmigsten Pricing-Modell für unser Sozialunternehmen treibt uns schon seit geraumer Zeit an“, erklärt Julia Krenmayr, Geschäftsführerin der Vollpension Generationencafés. Ziel der Vollpension ist es, Arbeitsplätze für Senior:innen zu schaffen, die von Altersarmut und -isolation betroffen sind. Dabei gilt es, die Komplexitäten zu bewältigen, die man als Sozialunternehmen hat, wie beispielsweise, dass die meisten Senior:innen nur geringfügig arbeiten können, ohne ihre Pensionsansprüche zu verlieren. Und natürlich erwarten sich die Gäste ein stimmiges Angebot. „Wir haben während der Pandemie unsere Paketpreise eingeführt und diese waren für unser Überleben essenziell. Jetzt in Zeiten von Teuerung stehen wir vor neuen Herausforderungen und haben uns gedacht, warum nicht was völlig Neues ausprobieren”, so Krenmayr. „Wir finden es wichtig, gerade wo so viele Spaltungen in der Gesellschaft zu spüren sind, Nächstenliebe zu praktizieren, und laden alle ein, sich aktiv daran zu beteiligen, anderen eine Freude zu machen. Es ist ein Impuls, von einer Ich- zu einer Wir-Perspektive zu wechseln. ”
Vollpension in der Johannesgasse als Testpilot
Getestet wird das Gifting Forward Modell am Standort der Vollpension in der Johannesgasse, in der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (kurz MUK) im 1. Bezirk. Dieser Vollpension-Standort wurde im Oktober 2019 eröffnet und musste einige Monate später aufgrund der Corona-Pandemie und diverser Lockdowns wieder schließen. Im Frühjahr 2022 wurde er wieder eröffnet, allerdings nur an den Wochenenden. Seit wenigen Wochen ist der Standort Montag bis Sonntag von 8 bis 18 Uhr geöffnet. „Es war natürlich sehr schade, dass die Vollpension in unserer Universität nicht so öffnen konnte, wie ursprünglich geplant. Aber das konnte damals niemand vorhersehen”, so Andreas Mailath-Pokorny, Rektor der MUK. „Umso mehr freut es mich, dass die Vollpension in der Johannesgasse nun endlich komplett öffnet und neben unseren Studierenden auch Gäste aus aller Welt in der MUK bewirtet.“
Experiment gestartet, Ausgang unklar
Getestet wird das Gifting Forward Modell noch bis mindestens 9. Juli in der Vollpension im 1. Bezirk. „Wie es dann mit unserer Speisekarte weitergeht, das wissen wir selbst noch nicht“, so Krenmayr. „Wir sind extrem gespannt, wie unser Experiment der Großzügigkeit aufgenommen wird. Ob es beim Experiment bleibt oder gar was Dauerhaftes daraus wird, werden wir im Juli sehen.“