Wien kann die Verkehrswende schaffen – Lösungen liegen auf der Straße Wien zählt zu den am schnellsten wachsenden Städten in Europa. 2027 überschreitet Wien die Grenze von zwei Millionen Einwohnern. Gleichzeitig verfolgt Wien das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein. Dafür werden eine Reihe an Maßnahmen gesetzt. Spannend allerdings: noch scheint es, als spiele der Verkehr nicht die zentrale Rolle dabei. Doch gerade hier gäbe es enormes Potenzial. Und zwar nicht nur um die Klimaziele zu erreichen, sondern auch um die Stadt zu einem lebenswerten Ort für alle zu machen. Das ist besonders wichtig, wenn man sich vor Augen führt, dass die Auswirkungen der Klimakrise auch jetzt schon spürbar sind. Drei Überlegungen, wie Wien zu einer nachhaltigeren innerstädtischen Mobilität kommt und warum Angst ein schlechter Ratgeber dafür ist. Die Stadt gehört den Menschen 7,65 m² öffentliche Fläche nimmt ein durchschnittlicher, eher kleiner Mittelklassewagen wie ein VW Golf in Anspruch. Das alles bekomme ich als Autobesitzer:in in Wien um derzeit 10 EUR pro Monat. Kein schlechter Deal. Somit stört es auch nicht, dass mein Auto im Schnitt 23h am Tag steht. Das ist keine Kurzgeschichte, sondern entspricht den Fakten. Warum führe ich das an? Es braucht einen Wandel in der Denkweise, wem der öffentliche Raum gehört. Der Stadt ist es hoch anzurechnen, dass die Anzahl der Parkplätze, ich finde zwar zu langsam, aber immerhin reduziert wird. Doch wir sind nach wie vor im Paradigma gefangen, dass der Status Quo „normal“ sei und wir daher sorgsam Parkraum reduzieren müssen. Das mag sein. Aber erlauben sie mir nur als gegenteiliges Gedankenexperiment: Als die E-Scooter aufkamen, laß man Headlines wie „Scooter überschwemmen die Stadt“ „zerstören das Stadtbild“ etc. Ja, die machen viele Probleme, aber es gibt derzeit weniger als 7.500 Scooter in Wien, während es fast 100 mal mehr Autos mit einem vielfachen der Fläche gibt. Dazu gibt es keinen vergleichbaren Aufschrei. Wien ist privilegiert Es gibt kaum eine bessere Stadt in Europa, der die Verkehrswende so gelingen kann, nein muss, wie Wien. Der öffentliche Verkehr ist so gut ausgebaut wie kaum woanders, das Preismodell mit 1 Euro pro Tag ist unheimlich attraktiv. Die Radweg Infrastruktur wird auf akzeptablen Niveau immer weiter ausgebaut. Die Wege sind kurz und das Zentrum total kompakt. Woran scheitert es also: Den meisten Menschen steht die Bequemlichkeit im Weg und die Politik traut sich aus Angst vor Wähler:innen Verlust noch nicht über den ganz großen Wurf. Die Bequemlichkeit lässt sich rasch entzaubern, ist es doch meist mit Stress, Stau und vor allem hohen Kosten verbunden ein Auto zu besitzen. Gleichzeitig ist völlig klar, dass es Autos braucht, auch in der Stadt, aber es muss nicht fast jeder Haushalt eines Besitzen (940.000 Haushalte, 750.000 Autos). Über geteilte Mobilität wäre das abzudecken, ersetzt doch ein Carsharing Fahrzeug zwischen 8 und 20 private Autos. Und der Politik sei gesagt, Menschen sind bereit für Klimaschutzmaßnahmen – in Österreich sprechen sich 80 % für mehr Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung aus.1 Nur Mut also. Erfolge liegen auf der Straße Das Schöne ist, wir beschreiten kein Neuland. Heute schon zeigen sich die enorm positiven Auswirkungen von einem Wandel der innerstädtischen Mobilität. Sei es die viel zitierte Mariahilfer Straße oder zahlreiche andere Verkehrsberuhigungsprojekte von Begegnungszonen bis Tempo 30. Der Erfolg spricht immer für sich. Und auch die Wissenschaft zeigt ein eindeutiges Bild: Egal ob es die Tatsache ist, dass der Verkehrsstau in deutschen Städten jährlich zu einem wirtschaftlichen Schaden von 80 Milliarden Euro führt.2 Oder dass durch die Schaffung von attraktiven öffentlichen Räumen und dem Ausbau des Fuß- und Radverkehrs der Umsatz im Einzelhandel um bis zu 25 Prozent gesteigert werden kann.3 Warum liegt mir das alles so am Herzen: Wien ist die lebenswerteste Stadt der Welt. Wien hat alles, um auch die nachhaltigste für alle zu werden. Gleichzeitig muss eben noch mehr geschehen, insbesondere im Verkehrsbereich, um die Klimaziele zu erreichen und die Stadt noch attraktiver zu machen. Dabei sollten wir uns von der Angst vor Veränderungen befreien und uns auf die positiven Erfahrungen und Erfolge der Vergangenheit stützen. Wenn wir uns mutig auf diesen Weg machen, wird Wien auch in Zukunft eine Vorreiterrolle in Sachen Verkehrswende einnehmen und damit ein Vorbild für andere Städte sein. Olivier Reppert, CEO von SHARE NOW setzt sich mit seinem Unternehmen für eine nachhaltigere Mobilität und eine Verbesserung der Lebensqualität in 17 Städten in 8 Ländern Europas ein. 1 https://klimavolksbegehren.at/wp-content/uploads/2021/02/Ergebnisbericht_Klimavolksbegehren_Februar-2021.pdf 2 Inrix Studie 2019 3 Beratungsunternehmens WSP 2019 & Verkehrsclubs Deutschland (VCD) 2021